In der letzten Dekade haben geophysikalische sogenannte komplexe Widerstandsmessungen zunehmen an Bedeutung gewonnen. Man versteht darunter die synchrone Messung von spezifischem Widerstand und induzierter Polarisation (IP) im Frequenzbereich bei i.a. sehr niederfrequenten Wechselströmen. Technisch gesehen misst man mit den üblichen Erderaufstellungen (Schlumberger, Pol-Dipol usw.) reelle und imaginäre Komponente (0°- und 90°-Phase bzw. Amplitude und Phasenverschiebung). Statt der Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung kann auch die Abhängigkeit des Widerstandes von zwei Messfrequenzen als Maß für die IP betrachtet werden. Werden noch mehr Frequenzen benutzt, können Spektren der Widerstandsabhängigkeit zur Charakterisierung des zu erkundenden Gesteins oder ganz allgemein des zu untersuchenden Materials erstellt werden, und man spricht von spektraler IP (SIP).
In vielen Fällen hat sich gezeigt, dass spezifischer Widerstand und IP deutlich unterschiedlich geophysikalische Strukturierungen aufzeigen und sich letztlich bei der Auswertung und Interpretation sinnvoll ergänzen.
Nachfolgend bringen wir ein eindrucksvolles Beispiel der geophysikalischen Erkundung eines Deponiekörpers mit komplexer Widerstandsmessung und SIP.
Bei der Deponie handelt es sich um einen verfüllten Steinbruch im klüftigen Kalkstein, in den neben legaler Einbringung von Abraum und Bauschutt auch illegal Industrieschlämme entsorgt wurden. Heute ist das „Corpus Delicti“ unter einer saftigen grünen Wiese verschwunden (Abb. 1), wartet aber wegen drohender Grundwasser-Kontamination auf dringend erforderliche Sanierung. Zu den ersten Schritten dazu gehörten geophysikalische Messungen, darunter die hier in Ausschnitten vorgestellten Ergebnisse der komplexen Widerstandsmessungen mit kurzen Beschreibungen einiger Messbeispiele.
Abb. 1. Messareal über der Deponie mit hochproblematischen Industrieabfällen.
Abb. 2. Querprofil über den Deponiekörper mit Ergebnissen des Electric Imaging für komplexe Widerstandsmessungen; Pol-Dipol-Anordnung, Sondierabstand 10 m. Die beiden oberen Pseudosektionen zeigen die Verteilung des scheinbaren spezifischen Widerstandes für die Frequenzen 8,33 Hz und 1,04 Hz. Die untere Pseudosektion stellt die Verteilung der scheinbaren induzierten Polarisation (IP) dar, wie sie aus den beiden Datensätzen der Widerstandsmessungen durch Differenz- und Quotientenbildung gewonnen wurde. Ein sehr ähnliches (aber nicht genau dasselbe) IP-Bild erhält man für die Darstellung der Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung bei jeweils einer der Frequenzen. Der Vergleich Widerstand – IP zeigt eindrucksvoll den markanten Unterschied für die beiden Messparameter mit einer weitaus klareren Abgrenzung des Deponiekörpers in der IP.
Spektrale IP (SIP)
Für dasselbe Profil wurden die Messungen des komplexen Widerstandes für insgesamt vier verschiedene Frequenzen vorgenommen, zu den genannten 1,04 Hz und 8,33 Hz zusätzlich mit den Frequenzen 2,08 Hz und 4,16 Hz., was die Berechnung und Darstellung von IP-Spektren in Form der Abhängigkeit der Phasenverschiebung von der Frequenz ermöglichte (Abb. 3, Abb. 4).
Abb. 3. Konstruktion eines IP-Spektrums für die Phasen-Abhängigkeit bei vier Frequenzen.
Abb. 4. SIP auf dem Profil über die Deponie. Die Spektren wurden für jeden Sondierungspunkt (im Abstand von 10 m) und für fünf verschiedene Elektrodenabstände A-MN (bei der Pol-Dipol-Messung) konstruiert. Pauschal lassen sich drei Typen von Spektren unterscheiden, was Abb. 5 vermittelt. Sie und die IP-Messungen generell erlauben eine wesentlich aussagekräftigere Interpretation der Messergebnisse im Vergleich mit den Ergebnissen der reinen Widerstandsmessung (Abb. 2, obere zwei Pseudosektionen). Im Rahmen der Messkampagne wurde auch der weitere geologische Rahmen der Deponie mit den SIP-Messungen erkundet, was zur Ausweisung von Verdachtszonen von Deponiewässer-Leckagen mit Infiltrationen in das Kalkstein-Gebirge führte.
Abb. 5. Drei unterschiedliche Typen von Spektren: keine Frequenzabhängigkeit für die z.T. mächtigere lehmige Überdeckung, mit zunehmender Frequenz abnehmende Phasenverschiebung für den Deponiekörper und mit zunehmender Frequenz zunehmende Phasenverschiebung für den Muschelkalk-Rahmen des Deponiekörpers.
Die Messungen wurden mit dem ungemein effektiven Gerät LIPPMANN 4-Punkt light hp durchgeführt (Abb. 6).
Abb. 6. Das Messgerät für komplexe Widerstandsmessungen bei vier Frequenzen.