Baugrund von Windenergieanlagen (WEA), Windkraftanlagen (WKA)
Geophysik
Grundsätzliches
Lag im Jahr 1980 die Nabenhöhe von Windkraftanlagen noch bei ca. 30 m, sind heute Nabenhöhen von 140 m nicht ungewöhnlich. Einhergehend damit sind die Anforderungen an die Fundamente und einen geeigneten Baugrund für Flach- oder Pfahlgründungen gewachsen. Im allgemeinen erfolgen die Erkundungen für den Baugrund mit Kleinrammbohrungen, Ramm- oder Drucksondierungen. Bei einem bekannten geologischen Untergrund mit einem homogenen Aufbau ist das in den meisten Fällen ausreichend. Dass immer wieder einzelne Bohrungen und selbst ein Bohrraster geologisch stark problematische Stellen im Baugrund jedoch verfehlen, ist bekannt, und es wird hier z.B. an den Bau der neuen Fachhochschule in Würzburg erinnert, wo während des Baufortschritts eine markante geologische Verwerfung angetroffen wurde, die nach Auskunft der Bauverantwortlichen vom staatlichen Bauamt „unvorhersehbar“ durch das Bohrraster der Baugrunderkundung gefallen sei und zu Mehrkosten von 1 Million Euro geführt hat (Pressemitteilungen). [zum Risikofaktor Bohrungen bei der Baugrunderkundung siehe auch HIER].
Einen a priori problematischen Baugrund bietet ein verkarsteter Untergrund aus Kalk- und Salzgestein mit Dolinen- und Hohlraumbildung und häufig raschem Wechsel aus Fest- und Lockergesteinen. Bei einem solchen Untergrund sind einzelne Bohrungen – weil in keinster Weise repräsentativ – nutzlos und eine geophysikalische Erkundung unerlässlich. Sie kann zu tragbaren Kosten ein mehr oder weniger kontinuierliches Bild des Untergrundes mit dem Grad der Verkarstung aufzeigen und optimale Ansatzpunkte für Erkundungsbohrungen vorgeben.
Welche geophysikalischen Messverfahren?
1 In aller Regel nicht empfehlenswert: Gravimetrie – Mikrogravimetrie
Hier wird Bezug genommen auf wiederholte Anfragen an den Verf. zur Karst-/Hohlraumerkundung auf der Schwäbischen Alb mit der Gravimetrie/Mikrogravimetrie. Der Verf., der über 30 Jahre Erfahrung mit der Gravimetrie hat, hat immer wieder darauf hingewiesen, dass das ein methodisch falscher Ansatz ist und es sinnvollere Vorgehensweisen gibt, was nachfolgend erläutert wird.
Bei der typischen Albverkarstung, die der Verf. gut vor allem aus dem Raum Ulm kennt, wo bereits viele Messungen für Großbauten der Uni Ulm gemacht wurden, gibt MIkrogravimetrie oder generell Gravimetrie überhaupt keinen Sinn. Man erhält schöne bunte Isogammen-Bildchen mit vielen Anomalien, die, da man ja keine definierte Material- und Struktur-Zuordnung vornehmen kann, alle abgebohrt werden müssten. Pro WEA-Fläche von 20 m x 20 m (ohne eine eventuell wichtige Randzone) kommen da rasch 100 Bohrungen zusammen – eben weil man nicht weiß, was jede einzelne Anomalie bedeutet. Man hört immer bei solchen Untersuchungen, dass es um Karsthohlräume geht, die man mit der Gravimetrie sehen soll. Aber es ist ganz einfach: ein kleiner luft/wassergefüllter Hohlraum macht dieselbe Schwere-Anomalie wie eine große Schlotte, die mit sandig-lehmigem Material gefüllt ist. Und die wiederum macht dieselbe Anomalie wie eine stark verkarstete/verwitterte Kalksteinrippe, usw. Die Gravimetrie kann nicht differenzieren! Hinzu kommt, dass beim Potentialverfahren Gravimetrie das Auflösungsvermögen sehr rasch mit der Tiefe abnimmt und in der Tiefe selbst luftgefüllte Hohlräume eine ganz erheblich Größe haben müssen, damit sie, selbst mit der MIkrogravimetrie und bei optimalen Messbedingungen, überhaupt registriert werden.
Die Crux mit der Mikrogravimetrie ist, dass allgemein gedacht wird, dass das Mikro auch ein Maß für die Qualität und die Genauigkeit der Messung und ihrer Aussage ist. Eher das Gegenteil ist der Fall. Das hochauflösende Mikrogravimeter löst im oberflächennahen verkarsteten Untergrund auch jede fazielle und strukturelle „Unerheblichkeit“ auf und macht daraus ein Meer von Anomalien, die niemand einfach deuten kann, aber ein wunderschönes buntes Bildchen (siehe oben) produziert. Das Mikrogravimeter reagiert stark auf Dichteänderungen in den obersten Bodenschichten und benötigt für eine stimmige Reduktion und Modellierung der Daten eine präzise Aufnahme der unregelmäßigen Geländeform um jeden Gravimeterpunkt herum, abgesehen von einem präzisen mm-Nivellement.
Angedacht werden müssten, wenn man auch die Umfassung einbezieht, ca. 200 Gravimeterpunkten pro Fläche. Auch ein Mikrogravimeter braucht einige Minuten pro Messung oder länger, wenn man erst einmal einen stabilen Untergrund je Punkt schaffen muss, was bei einem ohnehin verkarsteten Untergrund nicht immer ganz einfach ist. Genügend Beispiele sind bekannt. 5 Minuten Messzeit bedeuten 1000 Minuten oder 17 Stunden (oder ca. 3 Tage) pro Fläche, nicht eingerechnet Vermessung, Vermarkung der Punkte und Präzisionsnivellement. Man kann ausrechnen, was dann eine Fläche kostet vor dem sicheren Hintergrund, dass man dafür ein Resultat ohne jegliche verlässliche Aussage erhält.
Die Gravimetrie: Ein feines geophysikalisches Messverfahren; aber: dieselben zuvor genannten Einschätzungen gelten für die meist unsinnige Hohlraumortung mit Gravimetrie und Mikrogravimetrie beim Straßenbau – Autobahnbau, wo stattdessen eine Kombination von komplexer Widerstandsmessung und Bodenradar anzuraten ist.
2 Empfehlenswert: Geoelektrik – komplexe Widerstandsmessungen (Widerstand und induzierte Polarisation, IP)
Der Verf. hat durchaus mehrere Projekte durchgeführt, bei denen man auf diese seine Einwände gehört hat und ein sinnvolles Electrical Imaging für Widerstand und induzierte Polarisation mit jeweils einer entsprechenden Tomographie je Fläche beauftragt hat, eingedenk des Vorschlags, das hochauflösende und aussagekräftige Bodenradar als sehr preisgünstiges Verfahren zusätzlich hinzuziehen. Gegenüber der Gravimetrie (auch gegenüber der Seismik, die hier genauso wenig einen Sinn gibt) hat die Geoelektrik mit der komplexen Widerstandsmessung aus Widerstand und induzierter Polarisation (IP) den enormen Vorteil, den Untergrund faziell aufzuschlüsseln, sprich Kalkstein – sandig-tonig-mergelig-schluffiges Material. Und dann SIEHT man die Verkarstung mit den tiefgreifenden Schlottenfüllungen und wo der geplante Turm dann genau auf dem Rand des Kalksteinabbruchs zu stehen kommen würde (siehe konkretes Beispiel aus einem unserer Projekte weiter unten.).
Die nachfolgenden Bilder zeigen die Aufnahme eines Electrical Imaging aus einer flächigen Vermessung des komplexen elektrischen Widerstandes (Widerstand und Induzierte Polarisation) im Bereich des vorgesehenen Fundamentes einer geplanten WEA. Der Untergrund besteht aus extrem verkarstetem Jurakalkstein, bei dem man die Aussagen einzelner Bohrungen einleuchtenderweise vergessen kann.
Electrical Imaging und Widerstandstomographie über WEA-Untersuchungsfläche; Hälfte der Fläche, 5 m-Raster. Extrem kontrastierende Widerstände von Kalkstein-Rippen und lehmiger Albüberdeckung. Ursprünglich war der Turm im Zentrum bei x = 25 m, y = 25 m geplant, also unmittelbar auf der Kante der hochaufragenden Kalkstein-Rippe im Kontakt zur tiefreichenden, lehmgefüllten Verkarstung.
Dieselbe (hier komplette) Messfläche, 50 m x 50 m – 5 m-Raster, als Widerstandstomographie.
Bild unten: Synoptische Darstellung und Interpretation von Widerstand und induzierter Polarisation auf einer verkarsteten WEA Messfläche. Die IP „sieht“ im Gegensatz zum Widerstand sehr deutlich und scharf den Karst-Einbruch im massiven Kalkstein.
3 Empfehlenswert: Bodenradar
Die nachfolgenden Radargramme vermitteln, wie das hochauflösende Bodenradar eine sinnvolle und aussagekräftige Ergänzung zu den komplexen Widerstandsmessungen sein kann.
Abb. 9. Bodenradar (200 MHz) über tiefreichender Subrosionszone mit synsedimentärer Absenkung.
Bodenradar-Tomographie über der Subrosionszone
Bodenradar über Subrosionszone mit vermuteten Hohlräumen.